Nie wieder Rasenmähen! Oder warum nur böse Menschen einen perfekt grünen Rasen haben

Blumenwiese mit geschwungen gemähtem Weg, eingerahmt durch dichte Sträucher und niedrige Bäume, Flieder, Blutpflaume und Sternmiere als Akzente

Warum nur im Mai nicht den Rasen mähen?

"Mäht euren Rasen im Mai nicht!" rufen die Naturschutzverbände aus, damit Insekten blühende Blumen als Nahrung finden, statt im kargen Grün zu verhungern. Neu ist der Aufruf nicht, schon 2019 wurde in Großbritannien der "No Mow May" das erste Mal gestartet. Dem Motto "Wer nicht mäht, spart Zeit und Energie" sind im Land des englischen Rasens einige gefolgt – zu mindestens die führenden Gärten: Ihre schönen Wiesen samt feinem Wildblumen-Besatz sind seit fünf Jahren in den Sozialen Medien ein Renner. Folglich lässt der eine oder andere englische Gartenbesitzer nun nicht seinen Rasen wachsen – das wäre nicht fotogen! Nein, es wird der hohen englischen Gartengestaltung folgend kleine Flecken jährlicher Wildblumensaat im Garten angelegt. Auch wenn diese Gartengestaltung nicht nachhaltig ist, sind diese kleinen Naturparadiese besser als keine!

Und in Deutschland, dem Land der Rasenmäher?

Verhallt der Aufruf im Nirvana. Falls einer eine Entschuldigung sucht, sind es die Kinder, die ja eine Wiese zum Fußballspielen brauchen. Verlogen. Kaum ein Kind darf heute im Garten spielen, viel zu hoch ist die Verletzungsgefahr. Und die Angst, dass sich die Kinder irgendetwas in den Mund stecken! Viel eher steckt dahinter der Kontrollverlust: Es könnten die teuren Anpflanzungen Schaden nehmen, das schöne einheitliche Grün der Rasenfläche zerschunden werden. Der Garten ist eine reine Zier. Ein Schaustück von vorne bis hinten. Die Visitenkarte des Hauses.

Wie der Rasen, so der Mensch.

Wer die grüne Auslegeware im Garten penibel auf englischer Rasenhöhe hält, will Kontrolle über alles. Kein Löwenzahn darf zubeißen, keine Platterbse sich winden, keine Margerite wuchern, kein Mohn sich verschwenden, kein Löwenmäulchen lächeln. Das wilde Leben muss wöchentlich in seine Schranken gewiesen werden. Jeder Ansatz wilder Natur wird geschnitten, jedes Unkraut mit Vehemenz bekämpft. Unkrautgitter, Rhizomsperre, Algenentferner, Schneckenkanten, Unkrautvlies, Vertikutierer, Wühlmausblocker, Wurzelsperre, Rindenmulch und Schotter – das Lexikon der Bekämpfungsmittel der hiesigen Baumärkte ist lang. Und der deutsche Mensch ist gewillt, viel Geld für einen ordentlichen, sauberen Garten zu zahlen.

Kontrolle, Ordnung, Zucht – der Garten perfekt optimiert

Was sind das für Menschen? Perfektionisten? Nein. Langweiler? Nein. Sie folgen alten Traditionen in der Gartengestaltung: Wie der Vater, so der Sohn. Wie die Mutter, so die Tochter. Ohne zu denken, ganz gehorsam. Das war immer schon so. Und ist gut so. Weil schon immer so. Keine Widerrede wird geduldet. Der Rasen wird wöchentlich zum einheitlichen Grün kurz gestutzt, die Blumenpracht dagegen in Kübeln akkurat angerichtet. Was sollen sonst die Nachbarn denken? Das wir die Kontrolle über das bisschen Grün verlieren? 

Naturgarten in Sonne, geschwungener Pfad um Blutpflaume und Flieder, eingerahmt von Ahorn, Hasel, Schlehe

Warum kein Mähroboter?

Wer springt über seinen Schatten? Wer traut sich, einfach mal nichts zu tun? Wer spart sich den naturfeindlichen Mähroboter? Wer lässt wirklich Natur, Wildblumen, Insekten, Schnecken und Eidechsen im Garten zu? Wer setzt sich für mehr Nachhaltigkeit in der Gartengestaltung ein? Wer hat das Rückgrat, auf das wöchentliche Gemetzel zu verzichten? Kann dumme Sprüche von Nachbarn, Familie und Freunde mit einem Lächeln des Besserwissens beantworten?

Wilde Wiese statt kurzer Rasen?

Wer immer wieder mäht und das Heu wegfegt, nimmt der Wiese die Saat. Viele Wildblumen säen sich in der kurzen mähfreien Zeit nicht wieder aus. Manche haben auch einen Zwei-Jahres-Rhythmus wie zum Beispiel die Nachtkerze. Andere wiederum sind eher Stauden, die ein ganzjähriges Wachstum benötigen, wie zum Beispiel die Flockenblumen. Ja und es ist auch eine Frage des Standortes, welche Wildblumen wo wachsen: Bleibt einfach das Gras stehen, entwickelt sich vor allem Löwenzahn, Platterbse, Kletten-Labkraut, Brennnessel, Ampfer und Giersch, seltener und viele Jahre später Wiesenschaumkraut, Storchschnabel, Bocksbart, Wiesenkerbel, Hornklee, Margeriten, Lichtnelken und Glockenblumen.

Das Motto für den Naturgarten: "50 Shades of Green" 

Prächtige Wildblumen in wundervoller Farbenexplosion im heimischen Garten? Nur wer ständig neu in Massen die Wildblumen aussät! Aber jährliches Auflockern des Bodens, um die Saat einzubringen, ist für die Natur nicht nachhaltig. Lieber die Hände zusammenfalten und geduldig in der Gartengestaltung sein: Ein Garten braucht viele Jahre, um eine natürliche Blumenwiese eigenständig zu entwickeln. Und selbstverständlich braucht eine Wildblumenwiese keine Mahd – weder im frühen Sommer noch im Herbst! Nie wieder mähen das ganze Jahr über!

Wird die wilde Wiese wieder nach dem Winter grün?

Jedes Jahr staunen auch wir seit über zehn Jahren ohne Mahd: Aus dem braunen Gras des Winters entwickelt sich immer wieder eine grüne Wiese – ganz ohne Menschenhand! Dieses sogenannte "Altgras" ist immens wichtig für unsere Natur: Insekten überwintern im Altgras, Grashüpfer, Zikaden, Blindschleichen, Eidechsen usw. finden im Sommer im dicht gewobenen Altgras ihr Versteck vor Fressfeinden. Schmetterlinge entwickeln sich, weil ihre Raupen sich an Brennnesseln und Knoblauchrauke sattfressen können. Überdies hält das Altgras die Wiese feucht, sodass auch längere Trockenperioden im Frühjahr und Sommer bestens überstanden werden!

Bäume als Schattenspender im Garten, ideal für alle Jahreszeiten, halten Feuchtigkeit im Garten

Kein Durchkommen im Naturgarten? Wege mähen!

Wir verteufeln nicht den Rasenmäher! Auffahrten, Stellplätze und Wege müssen regelmäßig im Garten gemäht werden, sonst ist kein Durchkommen mehr zum Komposthaufen, Gemüse- oder Hochbeet. Wir empfehlen geschwungene Wege im Naturgarten, die zum Verweilen und Schauen animieren. Und wisst ihr was? Ob Amsel oder Elster, Feldhase, Waschbär oder Katze – alle nutzen lieber die gemähten Wege als sich durch das hohe Dickicht der Wiese zu schlagen. Ein weiterer Pluspunkt für den Schutz der Natur: Die Fressfeinde haben kein so leichtes Durchkommen in der wilden Wiese!

Warum hilft eine Bierflasche unterm Rasenmäher?

Bevor ihr mit dem Rasenmäher nun durch den Garten kurvt, solltet ihr die Schnitthöhe richtig einstellen:  Passt eine alte, dicke Bierflasche unter den  Rasenmäher, bleibt nach dem Mähen ausreichend Rasen für Gänseblümchen und Insekten stehen. Zu kurz geschorener Rasen hat im Übrigen zu wenig Kraft um Trockenheit durchzustehen, wird schneller braun und unansehnlich. Und das kostbare Trinkwasser zum Gießen der Rasenfläche zu verschwenden, ist ein No-Go im Naturgarten!

Fazit: Ein naturnaher Garten ist ein Gewinn für alle

  • Wer den Rasen in eine naturnahe Wiese verwandelt, kann nicht nur die Hände in den Schoß legen, sondern viel Geld und Arbeit sparen. Weniger Rasenmähen, kein Wasserverbrauch!
  • Jede ungemähte Wiese wandelt sich nach dem Winter in frisches grünes Gras. Dafür sorgt die Natur ganz von allein! Keine Nachhilfe notwendig!
  • Ein lebendiges Ökosystem mit vielfältigen Pflanzen und Tieren lädt zum Beobachten und Genießen der Natur ein, trägt überdies aktiv zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Ein wahres Naturparadies direkt vor der Haustür!