Quo vadis Design?

Stuhl Evolution von knorrigen Ästen bis organisches Design: Kartell A.I. Chair

Warum neues Design?

Schon vor einem Jahrzehnt beschwerte sich der französische Stardesigner Philippe Starck, dass es viel zu viele Stühle gibt: Es lohne sich nicht mehr, Kraft in ein neues Design zu stecken, weil alles gesagt ist. Oder anders ausgedrückt, wir drehen uns nur noch im Kreise. Die Aufbruchstimmung des letzten Jahrhunderts ist im Keim erstickt, da wir weder Stuhl noch Tisch neu erfinden können. Zudem setzen Marken erfolgreich auf bekanntes, aus Filmen bekanntes Design, das sich viel leichter vermarkten lässt. Neues wagen? Viel zu aufwendig. Nicht nur in dieser Branche wird mit Altbewährtem dem Neuen kurzerhand der Wind aus dem Segel genommen. Hier und da ploppen in der Wissenschaft immer mal wieder Errungenschaften auf, womit wir dies und das erleichtern oder verbessern können. Wenn aber keine mächtige Firma dahintersteht, vielmehr mächtige Firmen um ihre Patente und Pfründe bangen, sind die meisten neusten Errungenschaften schnell wieder in der untersten Schublade verschwunden.

Wird KI Design revolutionieren?

Nein, denn bisher wird nur Bewährtes in neue Kleider gesteckt. Erinnern wir uns an besagten Philippe Starck und sein A.I. Chair von Kartell in 2019: Als ein revolutionäres Design einer artifiziellen Intelligenz, also KI, verkauft, mit einer witzigen, aber uralten Evolution vermarktet – aus einem Stück Matsch über knorrige Äste bis hin zum verästelten, aber zu mindestens organisch glatt geformten Stuhl. Eine gekonnte Mischung aus allen Philippe Starck Entwürfen, aber ehrlich gesagt – kein neuer Kunststoffstuhl, weder im Design noch in Material und Herstellung. Bei einer Produktion im Minutentakt müsste Kartell den Stuhl für ein Schnäppchenpreis verkaufen, schließlich verdient so eine künstliche Intelligenz ja viel weniger als der Stardesigner. Kurzum, das an sich langweilige Design ist heutzutage vergessen, führt ein Mauerblümchen-Dasein, da seine Wichtigkeit künstlich aufgeblasen wurde.

Warum KI im Design?

Der A.I. Chair ist für mich das Sinnbild künstlicher bzw. artifizieller Intelligenz: Es werden Unmengen an Daten ausgelesen und schließlich entsteht ein abgekupfertes Design, aber nichts Neues. Denn Kreativität kann KI bisher (!) nicht. Die künstliche Intelligenz lässt sich wunderbar für Repetitives einsetzen, kann Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenführen, um ein dreidimensionales Modell zu erstellen. Es kann – bleiben wir beim Stuhl – bei Angabe des Materials sogar Belastungstest berechnen und somit vorhersagen, wo eventuelle Brüche bei zu niedriger Materialstärke auftreten. Folglich bleibt noch das Kreative im Design, während die Forschung von der KI übernommen wird. Aber wie lange noch? Und brauchen wir überhaupt noch neues Design? Reicht nicht die repetitive, automatisierte Herstellung des Altbewährten? Mit zarter Modernisierung der KI?

Brauchen wir Design?

Nein, die Menschheit braucht kein Design von ausgewiesenen Designern mehr: Erstens wird dies immer mehr zu einer Kunstform verkommen, zu einer Spielerei des Geistes ohne praktische Anwendung. Zweitens sind wir nicht mehr gewillt, für Qualität viel mehr Geld auszugeben. Konnte man in den 1960er Jahren in etwa zu gleichen Preisen zwischen Gelsenkirchener Barock, neuer Sachlichkeit und skandinavischen Teak wählen, fing in den 1970er Jahren mit IKEA die Billigkultur an: Simplere Verarbeitung plus eigener Aufbau ließen die Preise purzeln und wir griffen auch mit zwei linken Händen zu. Ob Küche, Kleiderschrank, Bücherregal oder Kellerregal – wir haben uns daran gewöhnt alles selbst aufzubauen. Dieser erfolgreiche Minimalismus im Design und Ausführung hat dazu geführt, dass die Materialien immer billiger, die Form immer simpler werden. Selbst Marken haben diese Vereinfachungen aufgegriffen, Herstellungsprozesse entschlackt. Aber wenn die Markenware nicht in der Qualität besser ist, braucht sich auch niemand mehr beschweren, dass wir zum günstigeren Plagiat greifen. Wir Schnäppchenjäger lassen uns nicht veräppeln.